ZPO

Dieser Aufschrieb ist bei weitem nicht vollständig. Das Zivilprozessrecht ist äußerst umfangreich und würde jeden Rahmen sprengen, es sollte unbedingt mit einem Skript, Lehrbuch und Fällen gelernt werden. Es handelt sich deshalb nur um einzelne Punkte, Probleme oder häufige Fehler, die ich mir während meines Referendariats notiert habe.

Statthaftigkeit der Berufung

  • Die Statthaftigkeit der Berufung ist vor allem gegen das 2. Versäumnisurteil (VU) zu problematisieren
  • denn eigentlich ist gegen Versäumnisurteile der Einspruch statthaft, § 338 ZPO
  • aber: wird Einspruch gegen ein Versäumnisurteil eingelegt und ist die Partei dann beim Termin ein zweites Mal säumig, ergeht ein sogenanntes Zweites Versäumnisurteil
  • hiergegen ist der Einspruch nicht noch einmal statthaft gemäß § 345 ZPO!
    • die Vorschrift soll eine Prozessverschleppung verhindern
  • auch die Berufung ist nur unter strengen Voraussetzungen statthaft gem. § 514 II 1 ZPO: nämlich nur dann, wenn der Säumige geltend macht, die Säumnis sei unverschuldet gewesen

Inhalt des Berufungsurteils

Bei den Formalia und dem Inhalt eines Berufungsurteils handelt es sich um fortgeschrittenes Wissen. Selbst bei Rechtsreferendaren kann hier nicht viel mehr als solide Grundkenntnisse erwartet werden, alles darüber hinaus wird hoch angerechnet. Für den Fall, dass tatsächlich ein Berufungsurteil oder Teile hiervon zu formulieren ist, sollten die Basics deshalb ausreichen.

Die Struktur des Berufungsurteils weicht von den “normalen” Urteilen in erster Instanz nicht ab, es besteht ebenfalls aus Tatbestand und Entscheidungsgründen (§313 ZPO). Aus § 540 ZPO ergibt sich lediglich, dass diese Elemente gegebenenfalls verkürzt werden können. (Wenn das Urteil zur Veröffentlichung vorgesehen ist, wird von dieser Möglichkeit aber meist kein Gebrauch gemacht). Die Norm ermöglicht es dem Gericht, nur auf die Änderungen zum erstinstanzlichen Urteil einzugehen und die Änderung im Tenor zu begründen.

Bei der Tenorierung des Berufungsurteils ist zu beachten, dass mit dem erstinstanzlichen Urteil bereits ein Titel in der Welt ist. Dieser muss, soweit möglich, aufrechterhalten werden. Kann er das nicht, muss er (insoweit) aufgehoben werden, um eine Vollstreckung zu verhindern.

Der Tenor heißt dann beispielsweise:

“Das Urteil des Amtsgerichts Philippsburg, Az. 1 C 78/15, wird aufrechterhalten.” (Berufung unbegründet) oder

“Das Urteil des Amtsgerichts Philippsburg, Az. 1 C 78/15, wird insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte zur Zahlung von 500 Euro verurteilt wird. Im Übrigen wird infolge der Berufung das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.” (Berufung teilweise begründet) oder

“Auf die Berufung wird das Urteil des AG … aufgehoben und die Klage abgewiesen.” (Berufung gänzlich begründet).

Einstweiliger Rechtsschutz in der Klausur

Auch der einstweilige Rechtsschutz ist eher ein fortgeschrittenes Thema und muss deshalb nur in den Grundzügen beherrscht werden. Hier deshalb die für die Klausur wichtigen Punkte:

Die möglichen Mittel im einstweiligen Rechtsschutz sind der Arrest und die einstweilige Verfügung (§§ 916ff.), die sich in ihrem Inhalt/Ziel unterscheiden.

Der Arrest ist zwar zuerst geregelt, spielt aber in der Praxis und auch in der Klausur kaum eine Rolle. Relevant sind die Normen nur, weil sie auf die einstweilige Verfügung entsprechende Anwendung finden.

Für die Klausurbearbeitung ergeben sich keine großen Unterschiede. Es kommt nur ein weiterer Prüfungspunkt hinzu; sie ergeben sich aus § 920 II: Neben dem Arrestanspruch bzw. Verfügungsanspruch, wo die materiellen Voraussetzungen zu prüfen sind, ist der Arrest- bzw. Verfügungsgrund zu prüfen, das heißt die “Eilbedürftigkeit” im Einzelfall: Warum muss es schnell gehen, welche Gefahr besteht?

Ein zumindest in der Praxis wichtiger Unterschied ist aber, dass im einstweiligen Rechtsschutz die Glaubhaftmachung ausreicht (wegen des besonderen Zeitdrucks). Das heißt der Richter muss nicht vollständig überzeugt sein, es reichen “51 Prozent” aus. Auch ist der Freibeweis möglich, man ist nicht auf die 5 Strengbeweismittel beschränkt (“SAPUZ”). Es werden aber nur präsente Beweismittel berücksichtigt, das heißt es findet keine Ladung statt. Wer einen Zeugen hat, muss diesen selbst mitbringen zum Termin!

Das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz kann neben dem Verfahren in der Hauptsache geführt werden, es liegt keine “entgegenstehende Rechtshängigkeit” vor. Denn das Verfahren ist nur auf eine vorläufige Regelung gerichtet, die Streitgegenstände sind also nicht identisch.

Urteilsformalia: Einzelne Punkte

  • Wenn Zinsen im Tenor zugesprochen werden, muss das Datum der Rechtshängigkeit der Klage im Tatbestand aufgeführt werden. In den Anträgen werden die Zinsen regelmäßig “ab Rechtshängigkeit” gefordert, im Tenor sollte das Datum der Rechtshängigkeit aber explizit stehen (“Zinsen seit dem 05.04.2023 in Höhe von…”).
  • Beigezogene Akten werden in der Prozessgeschichte (am Ende des Tatbestands) genannt (s. § 273 II Nr. 2 ZPO).
  • Aus Zeitgründen kann es besser sein, die Zulässigkeit von Klage und Widerklage zusammen zu prüfen (auch wenn viele Skripte zur getrennten Prüfung raten). Anders ist es aber bei der Hilfswiderklage! Hier muss zwingend getrennt werden, denn über die Hilfswiderklage wird nur entschieden, wenn die Bedingung (in der Regel Begründetheit der Hauptklage oder Erfolglosigkeit eines Abwehrmittels) eintritt. Dann müssen erst Zulässigkeit und Begründetheit der Klage, dann (ggf.) Zulässigkeit und Begründetheit der Hilfswiderklage geprüft werden.
  • Früher wurde beim Zuständigkeitsstreitwert einer Feststellungsklage pauschal 20% des Wertes abgezogen (arg: Feststellungsurteil kann nicht vollstreckt werden und ist deshalb “weniger wert”). Das ist nun wohl nicht mehr herrschende Ansicht, wird aber noch vertreten. Im Zweifel im Kommentar lesen! Die “20%-Lösung” kann in der Klausur aber viel Zeit sparen.
  • Wenn der Streitwert der Widerklage unter 5000€ beträgt, bleibt das Landgericht bei einer schon rechtshängigen Klage zuständig (wegen §§ 261 III Nr. 2, 506 ZPO). Eine Verweisung findet nur “nach oben” statt vom AG zum LG, nicht aber umgekehrt.
  • Wer den Thomas/Putzo ZPO Kommentar verwendet muss bei dem Standardstreit um die Rechtsnatur des § 33 ZPO (echte Sachurteilsvoraussetzung oder besondere Zuständigkeitsnorm) aufpassen, denn hier wird die Mindermeinung vertreten, die BGH-Ansicht wird als a.A. dargestellt!

Zwangsvollstreckung in der ZPO

  • § 753 I ZPO: für die Zwangsvollstreckung ist der Gerichtsvollzieher zuständig, sofern nicht ausdrücklich anders angeordnet (dann meist der Rechtspfleger als “Vollstreckungsgericht”)
  • Zwischen dem Gläubiger und dem Gerichtsvollzieher besteht (nur) ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, dieser wird nicht “beauftragt” im zivilrechtlichen Sinne. Dies spielt eine Rolle für die Haftung des Gläubigers: Er haftet nicht grundsätzlich für ein Verschulden des Gerichtsvollziehers. Der Gerichtsvollzieher ist weisungsgebunden mit gewissen Einschränkungen (etwa Anweisung zu offensichtlich rechtswidrigem oder treuewidrigem Verhalten, Schikane)
  • Wenn eine Zahlung des Schuldners nur erfolgt, um die Zwangsvollstreckung abzuwenden, handelt es sich laut BGH nicht um ein erledigendes Ereignis im Sinne von § 91a ZPO; daher muss keine Umstellung auf eine “Erledigungsfeststellungsklage” erfolgen. Wenn aber schon ein rechtskräftiges Urteil zur Zahlung verpflichtet, hat die Zahlung (wieder) Erfüllungswirkung
  • Gemäß § 865 I ZPO umfasst die Immobiliarvollstreckung (in Grundstücke) auch die beweglichen Gegenstände, die in den Haftungsverband einer (hypothetischen) Hypothek fallen würden, es wird also auf die §§ 1120ff. BGB verwiesen. Gemäß § 865 II können diese Gegenstände dann nicht im Wege der Mobiliarvollstreckung gepfändet werden
  • Die Einwendung, ein Dritter sei Eigentümer, sind für den Gerichtsvollzieher bei der Sachpfändung grundsätzlich unbeachtlich; er soll keine Eigentumsverhältnisse prüfen müssen. Ausnahme ist nur offensichtliches Dritteigentum in begrenzten Fällen: Etwa PKW in einer Autowerkstatt, oder bei Parteien kraft Amtes wie Insolvenzverwaltern
  • Eine Wohnungsdurchsuchung ist unzulässig (§§ 758, 758a ZPO) und daher abzulehnen, wenn der Schuldner amtsbekannt pfandlos ist; sonst hätte die Durchsuchung reinen Schikanecharakter
  • § 1227 BGB wird auf das Pfändungspfandrecht analog angewandt; darüber können u.a. die Ansprüche aus §§ 985 (Herausgabe aber nur an Gerichtsvollzieher); 1004; 823 BGB analog geltend gemacht werden
  • Der “Ersteigerer” der versteigerten Sache erwirbt das Eigentum an der Sache kraft Hoheitsakt; solange eine wirksame (öffentlich-rechtliche) Verstrickung vorlag, erwirbt er das Eigentum (gutgläubig) unabhängig davon, ob der Schuldner Eigentümer war, oder nicht! Der “echte” Eigentümer verliert sein Eigentum und hat keinen Anspruch aus § 985 BGB!
  • Rechte an Pfandsachen setzen sich kraft dinglich Surrogation analog § 1247 S. 2 BGB an dem Verwertungserlös fort; mit der Auskehr des Erlöses geht das Eigentum an ihm aber (ebenfalls rein öffentlich-rechtlich kraft Hoheitsakts) an den Vollstreckungsgläubiger über
  • In diesem Zusammenhang ist die “verlängerte Drittwiderspruchsklage” auf Herausgabe des Erlöses aus (im Ergebnis) § 812 BGB ein Klassiker, der unbedingt beherrscht werden sollte
  • Eine rein schuldrechtliche Vereinbarung, nach der eine Forderung unübertragbar ist, steht der Forderungspfändung nach herrschender Ansicht nicht entgegen (arg: sonst wäre diese zu leicht auszuschließen und jeder würde das vereinbaren)