Strafrechtliche Revision

Klausurtypen

Es gibt grob 4 Klausurtypen in Verbindung mit der Revision im Strafrecht:

  1. Prüfung der Erfolgsaussichten einer eingelegten, aber noch nicht begründeten Revision. Es ist ein Gutachten zu fertigen, hier sind Zulässigkeit und Begründetheit der Revision zu prüfen.
  2. Fertigung einer Revisionsbegründung. Eine recht schwere und daher seltene Aufgabe. Denn wegen § 344 II 2 StPO muss die Revisionsbegründung vor allem Verfahrensfehler vollständig und genau widergeben und begründen. Hier hat die Rechtsprechung im Einzelnen feste Leitlinien festgelegt. Diese sind im Kommentar bei den einzelnen Normen am Ende unter “Revision” zu finden. Viel mehr als das Auffinden möglicher Verfahrensfehler und das begründen anhand des Kommentars kann hier kaum erwartet werden.
  3. Prüfung der Erfolgsaussichten einer bereits begründeten Revision. Der Vorteil hieran ist, dass wegen des oben Gesagten sämtliche Verfahrensfehler in der Begründung zu finden sind! Lediglich die materiellen Fehler sind dann noch herauszuarbeiten.
  4. Entwurf der Entscheidung des Revisionsgerichts. Hier ist in aller Regel ein Urteil zu entwerfen.

Zulässigkeit der Revision

Die Zulässigkeit wird in aller Regel im Ergebnis zu bejahen sein, schließlich wäre sonst die Prüfung schnell zu ende, ohne zu den beliebteren materiellen Problemen zu kommen! Einzige Ausnahme dürfte eine Klausur sein, bei der materielle Fehler bereits zuvor in einem Gutachten geprüft werden sollen.

Schema: Zulässigkeit der Revision

  1. Statthaftigkeit
  2. Rechtsmittelbefugnis
  3. Beschwer
  4. Ordnungsgemäße Einlegung
  5. (Mögliche) Einhaltung der Begründungsfrist
  6. Keine Rücknahme/Verzicht

1. Statthaftigkeit der Revision

Dieser Punkt ist mit einer wichtigen Ausnahme in aller Regel unproblematisch. Die Statthaftigkeit ergibt sich aus § 333 StPO: Die Revision ist statthaft gegen erst- und zweitinstanzliche Urteile des LG und erstinstanzliche Urteile des OLG. Einzelne Probleme lassen sich hier mit dem Kommentar lösen. Wichtiger Problemfall ist aber die Sprungrevision gemäß §§ 335 I, 312 StPO: Hiernach ist die Revision auch statthaft gegen Urteile vom Strafrichter oder Schöffengericht. Die Sprungrevision wird der Angeklagte oder dessen Verteidiger beantragen, wenn eine weitere Tatsacheninstanz nicht gewünscht oder erforderlich ist.

2. Rechtsmittelbefugnis

In aller Regel kann und sollte dieser Punkt schnell abgehakt werden mit einem kurzen Verweis auf § 296 StPO: “Rechtsmittelbefugt sind der Angeklagte und die StA.” Für den Angeklagten legt in aller Regel dessen Verteidiger die Revision ein, wozu er nach der Vermutung des § 297 StPO aus eigenem Recht und in eigenem Namen befugt ist.

Ein Klausurproblem kann durch das “Verbot der Mehrfachverteidigung” eingebaut werden (§ 146 StPO). Seine Rechtsmittelbefugnis verliert der Verteidiger aber erst, wenn dessen Zurückweisung unanfechtbar ist, § 146a StPO. Allein das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer Mehrfachverteidigung macht die Revision also noch nicht unzulässig. Über § 146a StPO können auch Handlungen eines Verteidigers wirksam sein, für den eigentlich ein Berufsverbot (§ 70 StGB) gilt.

Ein möglicher Problemfall ist auch die Revisionseinlegung durch einen Nebenkläger. Dessen Rechtsmittelbefugnis ergibt sich ggf. aus § 400 I StPO und muss im Einzelfall besonders begründet werden. Vereinfacht gesagt ist er nur rechtsmittelbefugt, wenn eine Gesetzesverletzung gerügt wird, die ihn zum Anschluss berechtigt. Hier wird also auf die Liste in § 395 I StPO verwiesen.

3. Beschwer

Auch die Beschwer ist nur im Falle der Revision durch einen Nebenkläger unter Umständen ausführlich zu begründen, sonst sollte auch dieser Punkt kurz abgehakt werden. Der Angeklagte ist immer beschwert, wenn er (auch nur teilweise) verurteilt wurde, das heißt in der Regel zu einer Geld- oder Haftstrafe. Es kommt bei ihm also auf die “materielle Beschwer” an. Es reicht hingegen nicht aus, wenn dem Angeklagten die Gründe bei einem Freispruch nicht gefallen oder von dem Plädoyer des Verteidigers abgewichen wird.

Die Staatsanwaltschaft muss nicht beschwert sein. Sie kann Revision zulasten als auch zugunsten des Angeklagten einlegen und ist dabei nur im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens gebunden.

Der Nebenkläger ist hingegen nur beschwert, wenn er gerade in seiner Stellung als Nebenkläger betroffen ist. Es muss also ein Strafgesetz nicht oder falsch angewendet worden sein, auf das sich seine Anschlussbefugnis aus § 395 StPO bezieht. Wird wegen mehrerer Delikte verurteilt, kann sich die Revision deshalb unter Umständen auch nur auf einen Teil des Urteils beziehen.

4. Ordnungsgemäße Revisionseinlegung

Die Revision muss form- und fristgemäß eingelegt werden. Dies ist zu trennen von der (form- und fristgerechten) Begründung der Revision! Für diese beiden Elemente gelten verschiedene Anforderungen und Fristen.

Sie ist innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils bei dem Gericht einzulegen, dessen Urteil angefochten wird gemäß § 341 I StPO (Revisionsfrist).

Sie kann zum Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

Hier können in der Klausur viele Einzelprobleme eingebaut werden; im Zweifel findet man etwas im Kommentar dazu. Diese Probleme können hier nicht abschließend behandelt werden, deshalb hier nur eine Auswahl der wichtigsten und häufigsten Probleme:

Wichtige Probleme im Rahmen der Revisionseinlegung

  • Die Einlegung eines zunächst unbestimmten “Rechtsmittels” ist zulässig, da die Wahl des richtigen Rechtsmittels (Berufung oder Revision) sinnvoll erst bei Vorliegen des vollständigen Urteils erfolgen kann. Die Wahl muss dann innerhalb der Revisionsbegründungsfrist getroffen werden, sonst wird eine Berufung durchgeführt
  • Die Revisionseinlegung kann auch in der mündlichen Hauptverhandlung erklärt und in der Sitzungsniederschrift festgehalten werden; dies ersetzt die Erklärung zur Geschäftsstelle, da das Geschäft wirksam auf den Richter übertragen wurde (§ 8 I RPflG).
  • Die Schriftform kann auch durch ein Telefax ersetzt werden. Dann muss aber das Original unterschrieben sein und die Unterschrift auf dem Fax erkennbar
  • Auch eine Revisionseinlegung per E-Mail ist möglich; dann ist aber nur der Ausdruck dieser Mail das formwahrende Dokument!

Revisionseinlegungsfrist: Wichtige Probleme

  • Die einwöchige Frist zur Einlegung der Revision beginnt mit der Verkündung des Urteils am Ende der Hauptverhandlung, aber nur, wenn der Angeklagte anwesend ist (§341 I StPO)
  • Ist er nicht anwesend, beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils (§ 341 II)
  • Wenn eine Zustellung an den Angeklagten und den Verteidiger erfolgen muss (Doppelzustellung), bestimmt sich der Fristbeginn nach der späteren Zustellung gemäß § 37 II StPO
    • Gleiches gilt bei dem Beginn der Einspruchsfrist im Zivilverfahren gemäß §§ 339 I, 310 III, 317 ZPO. Diese beiden Probleme können also zusammen gelernt werden!
  • Hingegen ist die Verkündung für den Fristbeginn maßgeblich, wenn zwar nicht der Angeklagte, aber dessen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsmacht anwesend war, § 341 II StPO. Dies gilt nur für die Fälle, bei denen ohne Anwesenheit des Angeklagten verhandelt werden darf, etwa § 234 StPO
  • Ist die Frist versäumt, wird regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt
  • Kann das Gericht das Datum des Eingangs der Revisionseinlegung nicht mehr nachvollziehen und kann sich das Gericht auch sonst nicht von der Verspätung hinreichend überzeugen, so gilt die Revision im Zweifel als rechtzeitig eingelegt
    • Dies gilt aber nicht, wenn fraglich ist, ob eine Revision überhaupt eingelegt wurde!

5. Mögliche Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist

Dieser Punkt wird etwas seltsam formuliert, da die Erfolgsaussichten der Revision meist aus Sicht eines Anwalts/Verteidigers zu prüfen sind. Da in diesem Fall noch keine Begründung der Revision erfolgt ist, muss nur geprüft werden, ob die Frist hierfür überhaupt noch eingehalten werden kann.

Die Begründungsfrist beträgt grundsätzlich einen Monat, beginnend mit Ablauf der Revisionseinlegungsfrist (§ 345 I 2 StPO), die Berechnung erfolgt nach § 43 StPO.

In der Klausur und in der Praxis beginnt die Frist aber in aller Regel (erst) mit der Zustellung des Urteils. Das gilt nämlich immer dann, wenn die Zustellung erst nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist erfolgt, § 345 I 2 StPO; der Angeklagte soll sich das Urteil erst vollständig durchlesen können! In der Praxis dauert das Formulieren des Urteils länger als die Einlegungsfrist von einer Woche.

Zustellungsprobleme

Die wirksame Zustellung kann ein Klausurproblem darstellen, denn ohne sie fängt die Revisionsbegründungsfrist nicht an zu laufen.

  • § 36 I 1 StPO: die Zustellung muss auf Anordnung des Vorsitzenden ergehen, sonst ist sie unwirksam
  • über § 37 I StPO finden die Zustellungsregeln der ZPO teilweise analoge Anwendung; deshalb kann ein Zustellungsmangel unter Umständen durch den tatsächlichen Zugang geheilt werden, § 189 ZPO analog!
  • der Empfänger des Urteils muss eindeutig bezeichnet werden, in der Regel also namentlich
  • auch die Problematik der “Ersatzzustellung” nach den §§ 178, 180, 181 ZPO kann analog über § 37 I StPO eine Rolle spielen; diese Normen sind dann sauber zu prüfen, ggf. mit Kommentar
    • z.B. ist die frühere Adresse einer Person, die sich schon seit längerer Zeit in Haft befindet keine “Wohnung” mehr, sodass die Ersatzzustellung in der Regel fehlschlägt; laut BGH können hier schon knapp 2 Monate Haft ausreichen!
  • auch die Zustellung an den Verteidiger innerhalb einer Kanzlei kann ein Klausurproblem sein:
    • wird ein Empfangsbekenntnis nur von einem Sozius, nicht aber dem Verteidiger unterschrieben, ist die Zustellung bei einem Pflichtverteidigungsfall immer unwirksam (§§ 37 I StPO, 174 ZPO).
    • auch wenn keine Pflichtverteidigung vorliegt ist die Zustellung dann unwirksam, wenn der Unterzeichnende nicht selbst zustellungsbevollmächtigt ist

Exkurs: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Strafprozessrecht

1. Zulässigkeit

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig (§ 45 StPO), wenn

  • der er innerhalb einer Woche nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird und
  • die Revision innerhalb dieser Frist nachgeholt wird und
  • die Tatsachen zur Begründung des Antrags, insbesondere also das Nichtverschulden, glaubhaft gemacht werden.

2. Begründetheit

Der Antrag ist begründet (§ 44 StPO), wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. In der Regel bedeutet das, dass ein Dritter die Verspätung zu verschulden hat.

  • In Betracht kommt etwa, dass das Schreiben zu lange bei der Post braucht. In Anlehnung an § 270 S. 2 ZPO wird hiervon ausgegangen, wenn die Post länger als 2 Werktage braucht
  • Auch die Justiz kann die Säumnis verschuldet haben, etwa durch unterlassene/fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, unterlassene Mitteilung an den Verteidiger, oder bei Unwirksamkeit eines vermeintlichen Rechtsmittelverzichts
  • Fehler des Strafverteidigers werden (anders als in der ZPO!) dem Angeklagten nicht zugerechnet. Ihn kann aber ggf. eigenes Verschulden treffen, wenn er die Säumnis hätte erkennen müssen

Die Wiedereinsetzung kann auch ohne entsprechenden Antrag von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Handlung innerhalb der First nachgeholt wird (§ 45 II 3 StPO). Dies wird in der Klausur selten sein, kann aber u.U. über einen fehlenden Antrag hinweghelfen.